Der farbenfrohe Vogel Wiedehopf mit schmucker Haube, schwarz-weiß gestreiften Flügeln und einem besonders langen weichen Schnabel war der Liebesbote zwischen König Salomon und der Königin von Saba. In Bibel und Koran schickt Salomon der Weise für den postillon d'amour guten Wind, damit die Botschaft schnell eintrifft. Bis heute gilt der Wiedehopf daher als rascher Überbringer guter Nachrichten durch günstigen Wind. Er lebt in der Wüste und findet seine Nahrung in feuchten Bodenstellen. Wo er sich aufhält ist also Wasser in der Nähe. In trockenen Ländern ein weiteres glückliches Omen.
Nach dem Vogel ist die Heißluftballon-Gesellschaft "Hod-Hod Soliman", also Wiedehopf Salomon, im ägyptischen Luxor benannt, das älteste und erfahrenste der vier Unternehmen am Platz. Es ist das größte im Nahen Osten und in Afrika und hat sieben Ballons mit Kapazitäten von 4 bis 24 Personen in Reserve für großen Andrang oder besondere Zielgruppen. 60 Mitarbeiter befördern in guten Jahren etwa 7.000 Passagiere. Der Pilot wählt das Gerät des Tages je nach Wetterbedingungen und Zahl der Anmeldungen. Geflogen wird bei Sonnenaufgang, ein oder zwei Stunden später und sehr selten an Nachmittagen bei etwas, aber nicht zuviel Wind und guter Sicht. Das Spiel der Konkurrenz hat die Preise von früher einmal 250 inzwischen auf 75 Euro fallen lassen.
Das magische Luxor, früher als hunderttoriges Theben eine Hauptstadt des Pharaonenreiches, ist mit seinen vielfältigen Landschaften und uralten Bauten auch ein aufregender Platz für Flüge mit Heißluftballons.
Ein Zubringerbus holt die Gäste morgens um fünf Uhr im Hotel ab. Sie werden zu einem privaten Fährboot auf dem Nil gebracht und galant an der Hand aufs schwankende Schiff geleitet. Auch jene Dame aus Paris mit hohen Stöckelabsätzen. Mustafa mahnt: "Mind the ropes, mind your head, mind your hat!" Heißer "early-morning tea" im Sinne des Wortes ist zu dieser frühen Stunde willkommen. Die Morgenmuffel sind schweigsam, andere plaudern schon angeregt. Freundschaften fürs Leben und Schlimmeres sind so schon entstanden. Nach wenigen Minuten betritt Kapitän Amr das Boot und gibt während der Flussüberquerung erste Gebrauchsanweisungen für den Flug – pardon, man sagt ja aus historischen Gründen Ballonfahrt. "Halten Sie sich bei der Landung an den Seilen fest! Leicht in die Knie gehen und den Körper dadurch abfedern! Nicht den Kopf nach hinten drehen, damit bei einem harten Aufprall die Nackenwirbel nicht geschädigt werden! Bleiben Sie im Korb! Springen Sie unter keinen Umständen hinaus – der Ballon würde dadurch leichter und nach oben schießen! Bitte teilen Sie uns besondere Gesundheitsprobleme mit, die eine Rolle spielen könnten – damit wir vorbereitet sind, falls Sie eine Krise haben! Frauen in anderen Umständen sollten nicht fliegen. Kinder müssen begleitet sein. Hohes Alter ist kein Hindernis. Passagiere sollten aber fit genug sein, um den Korb aus eigener Kraft zu besteigen und zu verlassen."
Am anderen Ufer, der Westbank, wartet ein weiterer Minibus. Die Fahrt geht vorbei an den Memnon-Kolossen und dem "Grabräuberdorf" Kurna zum wartenden Ballon zwischen Ramesseum und den Gräbern der Adligen. Die Riesenhülle wurde bereits durch große Ventilatoren mit Luft gefüllt. Dann wurde die Luft mit Flammenstößen aufgeheizt. Daher ragt der Ballon schon gen Himmel. Eine Bodenmannschaft von einem Dutzend schwergewichtigen Männern hält die Gondel aus Korbgeflecht mit soliden Halterungen und Verstärkungen. Diese ist reichlich vier mal ein Meter groß und aufgeteilt in vier abgetrennte Bereiche für je fünf Personen. In der Mitte unter den Bedienungshebeln und -Leinen ist der gleichfalls abgeteilte Arbeitsraum von ein mal einem halben Meter für den Kapitän. Es ist also schön eng für 20 Personen plus Pilot. Wir klettern über die Trittlöcher im Korb ins Innere. Dabei sind lange Beine nützlich.
Alle Mann an Bord? Alle Mann fertig? Dann fällt die Entscheidung das Tages durch den Piloten. Das Wetter ist günstig, wir fliegen.
Und um 5.45 Uhr geht es los. Mit wildem Fauchen heizt die Flamme die Luft im Ballon noch weiter auf und macht ihn somit leichter als die umgebende Atmosphäre. Der Ballon ist etwa 20 m hoch und fasst 415 Kubikfuß Luft. Die insgesamt vier Pressluftflaschen sind mit je 80 Litern Gas wohlgefüllt. Das gibt eine Menge Auftrieb. Wir steigen auf fast 700 m Höhe. Unter uns Wüste, Gebirge, mehrere Totentempel – besonders eindrucksvoll der majestätische der Hatschepsut, der großen Pharaonin. Er wirkt wie aus dem Gebirge herausgeschnitzt.
Die Flamme ist heiß. Der Kapitän trägt daher dicke Schutzhandschuhe zur Bedienung des Flammenwerfers. Glücklich, wer einen Hut oder eine Mütze mitgenommen hat! Außerhalb der Hitzeschilde ist die Temperatur recht hoch.
Es ist eng an Bord. Der Pilot betätigt den Flammenwerfer.
Um uns herum starten Ballons der anderen drei Gesellschaften, bis insgesamt sieben bunte Kugeln in der Luft schweben. Alle Flüge werden vom örtlichen Flughafen-Tower überwacht und durch Radioverbindung genauestens verfolgt.
Leider verhilft uns der Wiedehopf diesmal nicht zu günstigem Wind zum Tal der Könige oder einem anderen Teil des eindrucksvollen Libyschen Gebirges. Vielmehr trägt uns der Westwind des Tages über die "kemet" der alten Ägypter, die gute, schwarze Erde des Fruchtlandes. Dieser schmale Streifen von Feldern mit Zuckerrohr, Korn, Grünfutter, Palmen ist Teil der größten Oase der Welt entlang des Nils. Ihre Fruchtbarkeit stammt noch von den Schlammablagerungen der alljährlichen Überschwemmungen vor dem Bau des Assuan-Staudamms.
Der Kapitän lässt den Ballon sinken – so weit, dass er beim Überfliegen einige Palmenkronen streift. Das erhöht das Kribbeln bei den Fahrgästen.
Plötzlich Brandgeruch! Einige Reisende werden weiß um die Nase. Aber es ist nur der aufsteigende Rauch von abgeernteten Feldern, die abgefackelt werden.
Am Boden winken Bauernkinder und ihre Eltern uns begeistert zu. An einer Stelle huschen sogar zwei Füchse durch ein Kornfeld. Immer wieder geht es fauchend nach oben und geruhsam nach unten über die Felder, Gehöfte, einen Friedhof, Dörfer mit Moscheen und Minaretten. Von einem ruft gerade der Muezzin zum Gebet: "Allahu akbar" – Allah ist größer.
Wir überqueren den Nil, diesen magischen längsten Fluss der Welt mit seinen riesigen Kreuzfahrtschiffen, Fähren, Felukkas und sonstigen Wasserfahrzeugen vieler Art. Die ersten schwimmenden Hotels machen sich schon auf den Weg nach Assuan.
Wieder ein Feuerstoss, der die Luft aufheizt und uns steigen lässt. Am anderen Ufer erwarten uns die Tempel, an denen die Pharaonen Jahrtausende gebaut haben.
"Runter kommen sie alle!" Diese alte Fliegerweisheit gilt auch für Heißluftballons. Und so landete vor ein paar Jahren und kürzlich nochmals das Gerät neuerer Firmen etwas schneller als beabsichtigt. Es gab einige Arm- und Beinbrüche. Offenbar empfiehlt es sich, eine erfahrene Ballongesellschaft zu wählen.
An einer Stelle, die ihm geeignet erscheint, zieht unser Kapitän an einer Leine und öffnet dadurch die Luftklappen am obersten Punkt des Ballons. Einige Kubikmeter Heißluft entweichen. Wir setzen in einem Weizenfeld auf, dessen Halme den Aufprall mindern. Dann schleifen wir rumpelnd ein Dutzend Meter über den Boden, und die Geistesgegenwärtigen an Bord denken an die Verhaltensmassregeln: An den Seilen festhalten, in die Knie gehen, nicht rückwärts schauen. Die anderen erinnern sich sehr schnell daran. Der relativ kräftige Wind erlaubt heute keine Punktlandung auf der Pritsche des Begleitfahrzeuges, den eine Hotelnachbarin am Vortag erlebt hat.
"Es gibt weiche Landungen, harte Landungen und ägyptischen Landungen mit mehrfachem Aufsetzen und langem Rumpeln über den Boden," hatte der Kapitän erklärt. Diese war eher etwas hart, aber keine ägyptische! Zum Glück ist die Bodenmannschaft – durch Funkverbindung gelotst – bald da, hält den Korb an der Stelle und hilft uns beim Hinauskrabbeln. 6.35 Uhr - wir waren 50 Minuten in der Luft und haben dabei etwa 12 km zurück gelegt.
Einige einheimische Bauern sehen in dieser recht entlegenen Gegend wohl nur Touristen, die im Ballon zur Erde gelangen, und sind begeistert. Sie führen ein Tänzchen zu Trommelrhythmus vor. Dafür gibt es ein Bakschisch der erfreuten Gäste.
Schließlich erhält jeder Teilnehmer eine schmucke Urkunde: "Im Namen Allahs des Gnädigen, des Barmherzigen wird hiermit bestätigt, dass der und der am soundsovielten mit Heißluftballon über Luxor/Ägypten gefahren ist." Auch T-Shirts mit dem Logo der Gesellschaft werden verteilt. Auf Mätzchen wie Sektfrühstück und ähnliche Rituale der Prosecco- und Latte-Macchiato-Gesellschaft wird vernünftigerweise verzichtet. Ägypten ist noch ein Land einfachen Lebens.
Schnell sind Ballonhülle und Gondel mit Brennern und Flaschen auf dem Pritschenwagen verstaut. Um 7.30 Uhr sind wir zum verdienten Frühstück wieder im Hotel.
Die verladene Gondel zeigt Flammenwerfer, Hitzeschilde und Trittlöcher im Korbgeflecht
Klaus G. Müller, 2006
"Eine Prise China. Schnupftabakflaschen - Spiegel der chinesischen Seele", eine kleine kulturgeschichtliche Plauderei über das Reich der Mitte und auch über ein faszinierendes Sammelgebiet, Deutsch und Englisch in einem Band mit vielen schönen Sammlerphotos (Verlag Böhlau, Wien). Europublic meinte dazu: "... es ist ein Buch für jeden - will sagen, jeden, der sich für Kulturen interessiert. Es ist präzise, mit Liebe und Humor geschrieben und hat den großen Vorzug, sowohl faszinierend als auch informativ zu sein. - ... wunderbar gestaltet..."
Freies Asien fand: "Der Verfasser unternimmt einen Streifzug durch die chinesische Kulturgeschichte... offeriert einen tiefen Einblick in die chinesische Denkweise und versteht es, den Leser für die chinesische Kultur zu begeistern. Zahlreiche kleine Anekdoten sowie schöne Photos runden das Werk ab..."