Naxi    (13. Jh. n. Chr. bis heute)
Ebenso wie bei den Naxi* ist bei einer bemerkenswerten Zahl von schriftlosen Bergvölkern der Himalayaregion (Nepal, Hinterindien, SW-China) und der sich südöstlich anschliessenden Länder (Burma, Thailand, Laos, Vietnam...) die in mythischen Geschichten festgehaltene Vorstellung verbreitet, sie hätten vor Zeiten selbst eine Schrift besessen, diese Errungenschaft jedoch durch widrige Ereignisse wieder eingebüsst. Die einhellig als Verlust empfundene Einbusse werde – den Mythen zufolge – jedoch durch den Gewinn anderer Kulturgüter teilweise wieder wettgemacht: durch ein geübtes Gedächtnis, welches eine reiche mündliche Überlieferung zu bewahren imstande sei; durch Instrumente, die, wie die Trommel, dem Erinnerungsvermögen dienlich seien; oder durch wirkungsvolle Riten und Praktiken, derer die Schriftvölker entbehrten und deren Besitz die Verwendung der Schrift erübrigten.
Neben der modernen lateinischen Schrift besitzen die Naxi auch zwei alte Schriftsysteme, Dongba (Tomba, Dto-mba) und Geba (Ggo-baw).
Die piktographische Dongba-Schrift wurde angeblich im 13. Jh. n. Chr. von König Moubao Azong eingeführt. Sie wird ausschließlich von den Dongba (Schamanen/Priestern) zur Rezitation von rituellen Texten bei religiösen Zeremonien und schamanstischen Ritualen benutzt. Sie besteht aus ca. 1400 Symbolen, wovon rund 90% Piktogramme sind, ist sehr komplex und schwer zu erlernen. Seit der Machtübernahme der Kommunisten 1949 nimmt der Gebrauch der Schrift stetig ab und wurde während der chinesischen Kulturrevolution in den 1960er Jahren verboten. 1982 wurden erstmals wieder Bücher in Naxi-Sprache gedruckt und Naxi unterrichtet, was dann ab Ende der 1980er Jahre wieder von der chinesischen Regierung unterdrückt wurde. Erst seit kurzem wird die Naxi-Sprache und -Schrift wieder unterrichtet. Heute gibt es nur noch etwa 60 Dongba-Priester, welch die Dongba-Schrift lesen und schreiben können. Die meisten davon sind über 70 Jahre alt und nur 3 unter 30.
Die Geba-Schrift ist eine Silbenschrift, die strukturell der chinesischen Schrift ähnelt. Sie ist eine Mischung aus Zeichen, welche teilweise aus dem Chinesischen abgeleitet sind, Zeichen die der Yi-Schrift ähnlich sind, vereinfachten Piktogrammen aus der Dongba-Schrift sowie ganz neu entwickelten Zeichen. Die Geba-Schrift wird benutzt um Mantras zu beschreiben oder Dongba-Piktogramme zu kommentieren. Sie wird von links nach rechts geschrieben. Die phonetischen Werte der Geba-Schrift sind nicht genau festgelegt und jeder Sprecher bevorzugt oft seine ganz eigene Artikulation. So haben manche Zeichen mehrere phonetische Werte und ein phonetischer Wert kann durch verschiedene Zeichen dargestellt werden.

Dongba-Piktogramme

Piktogramm eines Yak, mit 99 Büchern beladen.

Einem Naxi-Mythos zufolge kam die Piktogrammschrift mit dem ersten Schamanen auf die Erde, als man ihn zu einer Krankenheilung rief. Ein Yak trug die für die Riten notwendigen Texte. Nach der Heilung nahm er sie wieder mit.

 
Piktogramm der Naxi für "schreiben"
 
Piktogramme der Naxi für "Holz markieren" und "Steine markieren" = malen
 
Piktogrammserie vom Ursprung der Weissagungsbücher. Diese wurden einem Naxi-Mythos zufolge einer Himmelsprinzessin von einer Fledermaus abgetrotzt, welche die Schriften jedoch auf der Heimreise zur Erde in alle Winde verstreute.

Abbildungen aus dem Völkerkundemuseum der Universität Zürich*


Einige weitere Piktogramme:

Zeichen Bedeutung   Zeichen Bedeutung   Zeichen Bedeutung
Axt   Kerzenständer   ritueller Hut
Berg   Kleidung   Schlange
Blitz   Korb   Schuh
Bogen   Kornspeicher   Schwert
Pfeil & Bogen   Krone od. 5 Blüten   Silber
Dreibein   Krug   Sonne
Dreizack   Leiter   Sterne
Feuer   Mond   Sternenkonstellation
Gabe, Geschenk      Pagode   Swastika
gleich   Penis   Trommel
Hacke   Pfeil   Würfel
Haus   Pfeilspitze   Yak
heilger Stab   Pferd   Yakhorn
Kamm   Regal   Zimbel


Geba-Schrift              [zum Seitenanfang]

Zeichen Wert Zeichen Wert Zeichen Wert
  pa   po       
  pha   pu     bie
   phae              bu
        phu       
   phē     phū        by
   per      py      ma
    pher       phy     mae
   peu         ba   me
    pheu         bae     
        be     
  phī             mu
  pie        ber       
phie        beu