Bernstein - hausgebacken

Sein Name kommt aus dem Mittelniederdeutschen und heißt Stein, der brennt. Denn echter Bernstein ist brennbar.

Das versteinerte Harz einer Kiefern- oder Zedernart ist 30 bis 260 Millionen Jahre alt und wird an den Küsten der Ostsee, Siziliens, Burmas, Borneos, Japans, der Dominikanischen Republik und Kontinentalamerikas gefunden.

Besonders die nach Stürmen aufgewühlte See spült ihn an den Strand. Er gab sogar den "Bernstein-Strassen" ihren Namen, uralten Handelsrouten, auf denen er als begehrtes Tauschobjekt von der Ostsee bis weit in den Süden gelangte.

Ein amüsanter Aspekt des Bernsteins sind seine Fälschungen. Da werden in Russland kleine Reste, Sägemehl, Polierstaub (die bei der Anfertigung größerer Stücke anfallen), vielleicht auch noch unter Zusatz von Ichweißnichtwas unter Druck und/oder Hitze zu neuen Stücken befördert. Es ist ja nicht einmal falscher Bernstein, nur halt nicht in Millionen von Jahren in einem Stück gewachsen. Sogar die kleinen Rosetten, die man oft in Bernstein sieht und die ihn dann strukturieren, werden in mehrstündigem wohldosierten Kochen in Milch hineinfabriziert.

Auch künstlich geklärte Bernsteine sind häufig. Dabei werden trübe Naturbernsteine (95 % aller Bernsteine) über mehrere Tage langsam in Rüb- oder Leinsamenöl erwärmt, um sie klar und durchsichtig zu machen. Durch geschickte Temperaturregelung während des Klärungsprozesses können auch Sonnenflinten, Sonnensprünge und Blitzer, die in Naturbernsteinen selten vorkommen, gezielt hergestellt werden.

Sehr interessant und wertsteigernd sind Einschlüsse oder Inklusen. Sie können alles sein, was ein Tropfen Harz, als er sich vom Baum löste und nach unten fiel, einschloss: Staub, Mineralien, Pflanzen, Tiere. Besonders begehrt sind letztere. Und so werden von raffinierten Fälschern in gelbem Kunststoff in Zylinderform kleine Insekten eingebettet und das Ganze in ein Bohrloch in echtem Bernstein eingeführt, damit sogar der Hitzetest mit einer heißen Nadel positiv ausfällt. Sicherer ist daher immer, die Dichte des Bernsteins zum Test zu nutzen. Bernstein sinkt in Süßwasser (z. B. normalem Leitungswasser) schwimmt jedoch in konzentriertem Salzwasser. Tester benutzen gelegentlich zwei Gefäße, eines mit Süßwasser, eines mit Salzwasser (etwa zwei Esslöffel Salz auf einen Viertelliter Wasser). Bernstein versinkt im ersten Glas, schwimmt jedoch im zweiten. Plastik schwimmt auch auf Süßwasser, gelbe Steine und Glas versinken in beidem.

An den "eingebauten" Tierchen fällt meist auf, dass sie ungewöhnlich gerade ausgezogene Beine und Fühler haben, die bei einem von einem Tropfen Harz erschlagenen und erstickten Geschöpf kaum vorkämen. Hier wären sie eher unter dem Leib gekrümmt. Natürlich sind die hineinmanipulierten Tiere auch nicht Millionen von Jahre alt. Das wird Ihnen ein tüchtiger Biologe nach einem Blick bestätigen.

Den totalen Overkill habe ich in Ägypten gefunden: Ein großes Stück in eine Form gegossener Kunststoff stellt einen Skarabäus dar (Abb. Foto KGM). Der ordinäre Mistkäfer war für die alten Ägypter ja das wichtigste Wiederauferstehungs-Symbol. Mit einer ähnlichen Bewegung, wie er auf der Erde seine Dungkugel über den Weg rollte, sollte der heilige Pillendreher die Sonne über das Firmament führen – die Sonne, die tagtäglich neu Lebenskraft verlieh und den Fortbestand der Welt garantierte. Das Bild, wie das junge Tier statt der Mutter, die ihr Ei in der Kugel abgelegt und diese in eine Erdspalte geschafft hatte, herauskroch, stand auch für die Wiedergeburt der Menschen.

In dem oben abgebildeten durchsichtigen Skarabäus von 7,3 cm ist ein schwarzer Mistkäfer eingebettet, vor dessen Kopf als Nahrung für die Ewigkeit ganz zufällig eine tropische Pflanze im "Bernstein" schwebt.

Mundus vult decipi, decipiatur, sagten die alten Römer. Die Welt will getäuscht werden. Und sie wird getäuscht.

Klaus G. Müller, 2006