Kurzbericht zur Maßnahme OV 2005/1023
Rommerskirchen-Gill, Rhein-Kreis Neuss
R: 2548291  -  H: 5654410

Von allem etwas –
Ein ländlicher römischer Bestattungsplatz in Rommerskirchen

Peter Henrich, Thomas Ibeling und Sabine Jürgens, 2005

Für das Jahr 2006 plant die Gemeinde Rommerskirchen zur Entlastung der durch den Ortskern verlaufenden B 59 den Bau einer etwa fünf Kilometer langen südlich um den Ort führenden Tangente. Bei wiederholten Begehungen lokalisierte hier der ehrenamtliche Mitarbeiter M. Hundt anhand von Oberflächenfunden mehrere vorgeschichtliche und römische Fundplätze. Neben einem metallzeitlichen Fundplatz am westlichen Ortsrand sind vor allem mehrere römische Siedlungsstellen am Gillbach zu nennen. Die aufgelesenen Keramik- und Baufragmente lassen sowohl westlich als auch östlich des Baches Gutshöfe (villae rusticae) erwarten. Die Datierung des Fundmaterials weist auf eine dichte Besiedlung in diesem Gebiet vom 1. bis ins 4. Jahrhundert hin.

Diese Funde waren Anlass für eine bauvorgreifende archäologische Untersuchung. Die Notwendigkeit der Maßnahme zeigte sich bereits im ersten untersuchten Trassenabschnitt zwischen der B 477 und dem Gillbach. Hier fand sich am östlichen Bachufer, in den flachen Oberhang eingetieft, eine einzeln gelegene Bustumbestattung. Hierbei handelt es sich um eine römerzeitliche Brandbestattung, bei der der Scheiterhaufen für den Verstorbenen über der Grabgrube errichtet wurde, d. h. Verbrennungs- und Bestattungsplatz sind identisch.

Etwa 65 m nordwestlich davon kam im Scheitelbereich des zum Gillbach hin relativ stark abfallenden Uferhanges eine kleine Grabgruppe zutage. Sie bestand aus drei nebeneinander liegenden Särgen, die eindeutig Bezug aufeinander nehmen (Abb. 1). Diese kleine Grabgruppe gewährt auf engstem Raum aufschlussreiche Einblicke in römerzeitliche Bestattungssitten. So konnten unterschiedliche Bestattungsarten (Brand- und Körperbestattung), unterschiedliche Sargtypen (Holzsarg, Steinsarkophag und Bleisarg) und Einzelheiten der Beigabensitte (u. a. Münz- und Lampenbeigabe) beobachtet werden. Während das Bustum und die Körperbestattung im Holzsarg vor Ort vollständig untersucht werden konnten, wurden für den Steinsarkophag und den Bleisarg im Zuge der Freilegung zunächst nur die Fundumstände und der Befundzusammenhang dokumentiert. Die beiden letztgenannten Särge wurden nach einer Blockbergung dem Rheinischen Landesmuseum Bonn zur weiteren Bearbeitung übergeben.

Das Bustum zeichnete sich im Planum als rechteckige, 1,90 m breite und 1,15 m lange, ostwestlich orientierte Grabgrube mit vollständig verziegelter Wandung ab und war bis in eine Tiefe von ca. 0,50 m erhalten. Der Leichenbrand lag unregelmäßig verstreut innerhalb der Brandschicht. Die Untersuchung dieses Befundes lieferte keine Hinweise auf eine Grabnische oder sonstige Grabeinbauten. Das aus der Brandschicht geborgene keramische Material war größtenteils stark zerscherbt und verbrannt. Das Beigabenspektrum umfasst einen sog. „Honigtopf“ (Niederbieber 79a), einen Glanztonbecher mit Griesbewurf (Stuart 2), einen fast vollständigen Napf aus Terra Sigillata (Drag. 33), einen nur noch sehr fragmentarisch erhaltenen Einhenkelkrug (Stuart 110), einen rauwandigen Teller (Stuart 218), einen Teller (Niederbieber 111a Variante) sowie fünf weitere Teller vom Typ Niederbieber 53a. Mit Hilfe der Keramik funde lässt sich das Bustum ins späte 2. bis frühe 3. Jahrhundert datieren. Darüber hinaus wurde eine Münze geborgen, die wegen ihres schlechten Erhaltungszustandes vorerst nicht zur Datierung herangezogen werden kann.

Die ca. 65 m nordwestlich des Bustums aufgedeckten Gräber, in denen die Verstorbenen in Särgen aus unterschiedlichen Materialien zur letzten Ruhe gebettet worden waren, wiesen annähernd die gleiche Ausrichtung wie das Bustum auf. Die Grabgruben waren mit einem Abstand von ca. 0,80 m und ca. 1,80 m parallel zueinander angeordnet und deutlich tiefer in den anstehenden Boden eingelassen als die Bustumbestattung. Der Steinsarkophag stand zwischen dem Blei- und dem Holzsarg (Abb. 1).

Abb. 1: Sargbestattungen in Fundlage
Abb. 1: Sargbestattungen in Fundlage, Wurzel Archäologie, Jülich, 2005

Der Bleisarg war im Planum als langgestreckt rechteckiger Bleimantel (ca. 2,25 × 0,55 m) zu erkennen. Er lag in einer kastenförmigen Grabgrube mit einheitlicher Verfüllung. Mehrere von innen durch die Bleiwandung getriebene Eisennägel sowie Reste vergangenen Holzes auf der Grabgrubensohle belegen, dass es sich hier ursprünglich um einen Holzsarg mit Bleiauskleidung handelte. Er wurde mit der Grabgrubenfüllung im Block geborgen. Bei späteren Untersuchungen im Rheinischen Landesmuseum Bonn stellte sich heraus, dass der Sarg ein gut erhaltenes Skelett ohne Beigaben enthielt. Allerdings fanden sich im umgebenden Erdreich noch zwei zum Trinkgeschirr gehörende Gefäße, und zwar ein Becher Niederbieber 30a und eine kleine Terra-Sigillata-Schüssel Niederbieber 12b.

Der ca. 2,30 × 1,00 × 0,70 m messende Trog des Steinsarkophags besteht aus rötlichem quarzitischen Sandstein. Seine Außenwandung weist auf allen Seiten teils bogenförmige Scharrierungen auf. Die mit noch intakten Eisenklammern befestigte ca. 2,20 × 1,10 × 0,20 m große Deckelplatte ist aus hellem Kalksandstein gefertigt und lässt über weite Partien ebenfalls Bearbeitungsspuren erkennen.

Die unterschiedlichen Längen- und Breitenabmessungen der Sarkophagbestandteile zeigen, dass Trog und Deckel nicht passgenau gearbeitet wurden. In der Regel werden solche Material- und Maßunterschiede als Indiz für eine Zweitverwendung gewertet. Die mehrschichtig verfüllte Grabgrube wies steil abgetiefte Seitenwände auf. Daraus lässt sich schließen, dass der Sarkophag mit Hilfe einer speziellen Hebevorrichtung von oben in die Grabgrube abgesenkt wurde. Eine unmittelbar an die östliche Schmalseite des Befundes angrenzende grubenartige Vertiefung könnte als Standgrube für eine solche Vorrichtung gedient haben. Vor der nordwestlichen Schmalseite des Sarkophags konnte eine vollständig erhaltene Glasflasche (Goethert-Polaschek 79a) geborgen werden. Innerhalb der Steinkiste fand sich eine Brandbestattung mit reichen Beigaben, darunter zahlreiche Glas- und Keramikgefäße sowie eine Tonlampe.

Der vergangene Holzsarg zeichnete sich ca. 80 cm unterhalb des ersten Planums als langrechteckige Verfärbung ab. Die Grabgrube war bis auf wenige Scherben und Ziegelbruchstücke einheitlich verfüllt. Unmittelbar neben der noch als dunkles Band erkennbaren Sargwandung fanden sich längsseitig in regelmäßigen Abständen aufrecht stehende große Sargnägel. An den Schmalseiten wurden stark korrodierte, größere längliche Eisenobjekte, anscheinend Sargbeschläge, entdeckt. Genauere Aussagen zur Funktion sind erst nach einer Restaurierung möglich. Der Sarg enthielt ein Skelett in gestreckter Rückenlage mit Blick nach SO, von dem aufgrund der schlechten Erhaltungsbedingungen nur noch der Schädel und die Extremitäten gut zu erkennen waren. Die Unterarme waren im Beckenbereich auf Höhe der Handgelenke verschränkt. Zwischen den Mittelhandknochen fand sich eine Münze mit anhaftenden Textilresten, die ohne Restaurierung nicht bestimmbar ist. Die Gefäßbeigaben bestanden aus sechs vollständig erhaltenen Keramikgefäßen, einer intakten Glasflasche und einer stark zerscherbten, weitmundigen Schüssel (Niederbieber 109), deren verkippte Lage darauf schließen lässt, dass sie ursprünglich wohl auf dem hölzernen Sargdeckel platziert war. Hinter dem Kopf des Skeletts waren ein Einhenkelkrug (Stuart 111) und ein Becher (wie Niederbieber 32, ohne Überzug) deponiert. Am Fußende fanden sich ein weiterer Einhenkelkrug (Haalebos 6350), ein Becher (Niederbieber 33), eine kleine Schüssel (Niederbieber 38), ein Teller, der innen und außen noch Reste eines dunkelrotbraunen Farbüberzugs aufweist (Niederbieber 53a) und eine bauchige Glasflasche (Goethert-Polaschek 79a). Das Fundmaterial legt eine Datierung in die Mitte des 3. Jahrhunderts nahe.

Die Rommerskirchener Gräber können beim derzeitigen Bearbeitungsstand nur vorläufig ausgewertet werden. Aufgrund des Beigabeninventars lässt sich zunächst festhalten, dass das abseits gelegene Bustum die älteste Beisetzung darstellt. Dafür spricht auch die Bestattungsart. In den Sargbestattungen der kleinen Grabgruppe manifestiert sich der in den Nordwestprovinzen im Laufe des 3. Jahrhunderts stattfindende Übergang von der Brand- zur Körpergrabsitte. Ob die Brandbestattung in dem Steinsarkophag tatsächlich die älteste Beisetzung dieser Gruppe ist, kann ohne die Auswertung des Sarkophaginhalts nicht geklärt werden. Aufgrund der Anordnung der Sargbestattungen ist davon auszugehen, dass diese in einem relativ kurzen Zeitraum von zwei bis drei Generationen erfolgten. Die nahe liegende Frage nach verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den drei Bestatteten kann zunächst nicht beantwortet werden. Die Nähe der aufwendigen Grablegen zueinander könnte darauf hindeuten, dass hier der Bestattungsplatz der Besitzerfamilie des auf dem östlichen Bachufer gelegenen Landgutes aufgedeckt wurde. Ihre letzte Ruhestätte fiel nun der Verkehrsberuhigung zum Opfer.





K. H. Lenz, Früh- und mittelkaiserzeitliche Bestattungsplätze ländlicher Siedlungen in der Niederrheinischen Bucht. In: P. Fasold/T. Fischer/H. v. Hesberg/M. Wittmeyer, Bestattungssitte und kulturelle Identität. Xantener Ber. 7 (Köln 1998) 347–371.

 


Römische Grabbefunde in Rommerskirchen-Eckum