NW 2004/1034
Erftstadt-Lechenich, Rhein-Erft-Kreis
Inhaltsverzeichnis:


Steinstraße, Flur 7, Flurstück 2857
Projekt: Bauvorhaben Zepp

Abb. 1: Lageplan der Fundstelle (eingetragen in DGK-Ausschnitt)
Abb. 1: Lageplan der Fundstelle (eingetragen in DGK-Ausschnitt)

Th. Ibeling, M.A.
Archäologische Grabungen und Sondagen
01. Dez. 2004


I. Vorbemerkung, Archivlage, technische Vorgehensweise und Dokumentationsmethodik

Den Anlass für die durchgeführte Maßnahme bildete ein Bauvorhaben der Zepp Grundstücks GmbH in Erftstadt-Lechenich, Erftkreis. Das überplante Grundstück befindet sich in nordöstlicher Randlage des Lechenicher Altstadtkernes im Bereich der Flur 7 (Flurstücke 2857) zwischen der Steinstraße und der Landesburg Lechenich. Insgesamt umfasst das Baugrundstück eine Fläche von ca. 2800 qm, auf der bauseits die Errichtung von zwei unterkellerten Wohngebäuden im südlichen Zufahrtsbereich von der Steinstraße sowie PKW-Stellflächen im nördlichen Grundstücksbereich vorgesehen war.

Die Stadt Lechenich befindet sich im Ostteil der Zülpicher Börde in der Niederung des Rotbaches etwa 1,5 km westlich der Erft. Siedlungsgeschichtlich ist die Stadt Lechenich aufgrund eines hier geborgenen und der Lanehiae geweihten Matronensteines als Siedlung keltischen Ursprunges anzusehen. Funde aus dem 3. und 4. Jahrhundert n. Chr. (insbesondere westlich der Stadt in der Vilskaul und an der Erper Straße) belegen eine vermutlich durchgängige Fortsetzung der Siedlungstätigkeit auch in römischer Zeit. Hierfür spricht auch die räumliche Nähe der bekannten römischen Siedlungsreste zur ehemaligen von Köln über Zülpich nach Trier führenden Römerstraße. Als einziger siedlungsgeschichtlicher Nachweis für die nachfolgende Frankenzeit findet sich in Lechenich selber lediglich ein Einzelgrab aus dem 5. Jahrhundert südwestlich der „Alten Burg“. Allerdings scheinen die auf -heim und -hoven endenden Ortsnamen der Umgebung (Konradsheim, Heddinghoven u.a.) auf entsprechende fränkische Ansiedlungen hinzuweisen. Im Frühmittelalter bestand westlich der Stadt eine offensichtlich mit Graben und Wall umwehrte Hofanlage, die im Jahr 1138 erstmals als erzbischöfliche curia urkundlich genannt wird und unter dem Kölner Erzbischof Philipp von Heinsberg in der Zeit bis 1190 als curtis befestigt wird. Diese im Jahr 1239 erstmals als castrum bezeichnete erzbischöfliche Anlage wird im Zuge der Auseinandersetzungen mit den Grafen von Jülich im 13. Jahrhundert belagert. Aufgrund dieser Belagerungen wurde in der Zeit zwischen 1254 und 1271 die ehemals südlich der Alten Burg gelegene Ansiedlung östlich in den Bereich zwischen den Rotbach und den von diesem abgeleiteten Mühlenbach verlegt und mit einer Stadtmauer befestigt. Der neue Marktplatz wird im Jahr 1256 erstmals erwähnt, die Verleihung der Stadtrechte durch Erzbischof Siegfried von Westerburg erfolgt im Jahr 1279. Im Jahr 1301 schließlich wird sowohl die Stadt als auch die Alte Burg durch den von Graf Gerhard von Jülich erobert. Dabei wurde die Alte Burg vollständig zerstört, die Stadtmauern wurden niedergerissen. Der Wiederaufbau der Stadtbefestigung wird im Jahr 1302 zunächst von König Albrecht ausdrücklich untersagt, erst im Jahr 1306 wird dem Erzbischof Heinrich von Virneburg der Neuaufbau der Befestigungswerke gestattet. Hiermit einher geht die Errichtung der Landesburg im Nordosten der Stadt, die in die Befestigungswerke der Stadt mit einbezogen wird. Der Ausbau der Stadtbefestigung findet nach mehrfachen Störungen im Jahr 1370 seinen Abschluß. Die Landesburg bildet dabei in unmittelbarer Anbindung an die Stadtmauer die nordöstliche Befestigungsflanke, der die außerhalb verlaufenden Stadtweiher und Wallanlagen vorgelagert sind. In der zeitlichen Abfolge wurde zunächst (1315 - 1332) der Bergfried, ein mächtiger fünfgeschossiger Wohnturm, errichtet, an den sich im Laufe der weiteren Ausbauphasen unter Walram von Jülich (1332 - 1349) und Wilhelm von Gellep (1342 - 1362) der Hauptbau mit dem Hochschloß und den drei ca. 50 m hohen Ecktürmen sowie der durch einen Graben von der inneren Burganlage abgetrennte Wirtschaftstrakt anschließen. Die Gesamtanlage wurde im Westen und Süden durch einen umlaufenden Wassergraben und Palisaden zur Stadt hin abgetrennt. Insgesamt erhielt die Stadt bereits bei ihrer Gründung einen rechteckigen Grundriß mit dementsprechend rechtwinklig zueinander verlaufenden Straßen und Gassen. Während die Stadtmauer nur in den wenigen erhaltenen älteren Abschnitte aus Bruchsteinen, Tuff und Trachyt aufgebaut war, wurde für den Wiederaufbau der Stadtmauer nach 1306 ebenso wie für die Errichtung der Landesburg fast ausschließlich Ziegelstein verwendet. Im 30jährigen Krieg wurde die Stadt Lechenich belagert und im Jahr 1642 schließlich durch französische Truppen eingenommen. Der Versuch, die Landesburg zu erobern, scheiterte jedoch, woraufhin die Stadt durch Brand fast vollständig zerstört und die Stadtmauern gesprengt wurden. In der Folge wurde die nur bedingt wieder befestigte Stadt des öfteren durch fremde Truppen besetzt. Im Jahr 1689 schließlich wurde bei Kämpfen zwischen brandenburgischen und französischen Truppen die Landesburg so stark zerstört, dass ein Wiederaufbau bzw. eine Instandsetzung der Hauptburg nicht durchgeführt wurde. Da jedoch die Landesburg immer noch im Besitz des Erzbischof von Köln war und die Wirtschaftsgebäude im Bereich der Vorburg durch einen eingesetzten Verwalter bewohnt wurden, sind für diesen Bereich auch in der Folgezeit noch Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen verzeichnet (1690-1692, 1720, 1786-1788, 1950). Von der ursprünglichen Anlage sind wohl nur noch die Südostecke mit dem Eulenturm erhalten. Die übrigen Bauten der Vorburg sind daher in die Zeit des ausgehenden 17. und 18. Jahrhunderts zu datieren.

Größere Stadtbrände, die zu einer weitgehenden Zerstörung der Stadt führten, sind in der Folge für die Jahre 1702, 1722 und 1744 verzeichnet (1702 blieben nur 34 Wohnhäuser, 1722 lediglich 8 Wohnhäuser erhalten). Seit dem Jahr 1792 erfolgte der sukkzessive Abbruch der noch vorhandenen Stadtmauer. Die Hauptburg blieb in dem Zustand der Zerstörung aus dem Jahr 1689 (zusammengefasst nach H. Ott, 1984, K. Stommel, 1960 sowie nach Rheinischer Städteatlas).

Im Ortsarchiv des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege waren im Bereich des jetzt überplanten Baugrundstückes keine archäologischen Aufschlüsse hinsichtlich älterer Bebauungsstrukturen verzeichnet. Da sich das Baugrundstück jedoch nach Norden hin bis in den Bereich des eingetragenen Bodendenkmales „Landesburg Lechenich“ erstreckt und die Baumaßnahme u.a. auch Erdeingriffe im Bereich des ehemaligen südlich der Vorburg vorgelagerten Grabens vorsah, wurde seitens des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege und der Unteren Denkmalbehörde der Gemeinde Erftstadt gemäß dem Denkmalschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen eine baubegleitende archäologische Maßnahme eingeleitet, die die dokumentarische Sicherung des archäologischen Befundbestandes zum Ziel hatte. Mit der Durchführung der archäologischen Arbeiten wurde die Fa. Thomas Ibeling, M.A., Archäologische Grabungen und Sondagen, Beethovenstraße 35, 50674 Köln beauftragt. Die baubegleitend durchgeführte Maßnahme fand in der Zeit vom 25.10.2004 bis zum 05.11.2004 statt. Die Grabungsleitung wurde von Th. Ibeling, M.A. übernommen.

Der Untersuchungsumfang wurde nach Besichtigung der Grabungsstelle in einem gemeinsamen Ortstermin am 22.10.2004 (UD, RAB, AG) festgelegt. Da bei diesem Termin in Teilbereichen des nordöstlichen Baugrundstückes (Bereich der Garagen) bereits der Oberboden abgetragen war und im so angelegten Grobplanum keine archäologisch relevanten Strukturen feststellbar waren, wurde die baubegleitende Untersuchung in diesem Bereich lediglich auf einen bis dato noch nicht abgetragenen nördlichen Arbeitsstreifen beschränkt, der in der Folge als Arbeitsbereich St. 5 definiert wurde. Da sich innerhalb dieses Arbeitsbereiches mehrere Baubefunde abzeichneten (zwei rechtwinklig zueinander angelegte Ziegelmauern St. 6, St. 7 sowie ein mit Bauschutt verfüllter Versturzbereich St. 8), wurde hier eine entsprechende fotografische und zeichnerische Planumsdokumentation (s. St. 5-10) erforderlich. Eine weitergehende Untersuchung der angeschnittenen Befunde war jedoch nicht möglich, da mit Aufnahme des Planums die vorgesehene Bautiefe in diesem Bereich bereits erreicht war. Im nordwestlichen Flächenbereich (definiert als Arbeitsbereich St. 12) wurde ebenfalls der Oberbodenabtrag beobachtet, wobei archäologisch relevante Befunde hier jedoch nicht feststellbar waren. Da im dazwischen liegenden Flächenabschnitt (definiert als Arbeitsbereich St. 13) laut Bauplanung keine weiteren Erdeingriffe vorgesehen waren, wurden hier nur die im Grobplanum bereits erkennbaren Befunde (neuzeitl. Zisterne sowie Befunde St. 14, St. 15) eingemessen bzw. zeichnerisch dokumentiert (s. St. 14-5). Im Bereich der geplanten Wohngebäude (definiert als Arbeitsbereiche St. 2 und St. 3) wurde zur Beurteilung der Befundlage jeweils zunächst ein mittig durch den jeweiligen Kellerbereich verlaufender Sondageschnitt angelegt (s. Profile AB/CD St. 2-14/15 und Profile AB/CD St. 3-25/26). Da sich im Bereich des nördlich gelegenen „Gartenhauses“ bis auf einen west-ost verlaufenden Graben (St. 4) keine weiteren archäologisch relevanten Befunde bzw. Schichten abzeichneten, wurde hier auf weitere Untersuchungsschritte verzichtet. Im Bereich des südlich an der Steinstraße gelegenen „Straßenhaus“ zeichnete sich hingegen in dem befundabklärenden Sondageschnitt eine offensichtlich mehrschichtige, flächige Geländeplanierung (Schichten 3-30/31/32/33) ab, die aufgrund der zahlreichen eingelagerten Keramikfragmente eindeutig in das frühe 14. bis 15. Jahrhundert datiert werden konnte (s.u.). Um diese Planierungen auch hinsichtlich ihrer Ausdehnung besser eingrenzen zu können, wurde in Absprache mit dem R.A.B. in der westlichen Kellerhälfte zunächst auf Höhe der Planierschichten ein Teilflächenplanum (s. St. 3-61/123) mit entsprechendem Querprofil (s. Profil EF, St. 3-96) angelegt und dokumentiert. In der Folge wurden daraufhin die im Planum angeschnittenen Planierungsschichten sukkzessive abgetragen, mit dem Ziel, mögliche von den Planierungen überdeckte Befunde bzw. Bebauungsstrukturen (wie z.B. Pfostensetzungen oder Reste von Schwellbalkenkonstruktionen) zu erfassen. Da sich jedoch im Liegenden der Planierungen keine weiteren Befunde abzeichneten, wurde mit der fotografischen und zeichnerischen Dokumentation des südlichen, westlichen und nördlichen Baugrubenprofiles (s. Profile GH, HI, ID’D’’A, St. 3-97/98-144/143) die Untersuchung seitens des RAB abgebrochen.

Die Einmessung der in den Arbeitsbereichen St. 3, St. 5 im Planum dokumentierten Befundstrukturen bzw. Schichten erfolgte anhand jeweils lokal angelegter Vermessungsnetze, deren Hauptmeßpunkte zur genauen Lokalisierung mit Hilfe eines elektronischen Tachymeters in das Gauss-Krüger-Koordinatensystem eingemessen wurden. Die Vermessung des in Arbeitsbereich St. 13 angeschnittenen Befundes St. 14 erfolgte mittels Dreipunktmessung von markanten und zuvor tachymetrisch aufgemessenen Geländepunkten aus (s. Vermessungsskizze unter St. 14). Die in den Arbeitsbereichen St. 2 und St. 3 dokumentierten Profile wurden teils tachymetrisch, teils mittels einer Dreipunktmessung von den hier vorgegebenen Vermessungspunkten aus eingemessen (s. Vermessungsskizze unter 3-148). Die tachymetrische Vermessung wurde dabei von einem eigenen Vermesser bzw. vom Vermessungsbüro Ley aus Erftstadt-Lechenich durchgeführt. Die tachymetrische Vermessung durch den eigenen Vermesser erfolgte dabei zunächst in einem örtlichen Meßsystem, welches nachträglich an vorgegebene und durch das Büro Ley auf das Gauss-Krüger-Koordinatensystem eingemessene Passpunkte eingehängt wurde (Lageplan und Koordinatenanhang).

Die angewandte Dokumentationsmethodik orientierte sich an den vom Rheinischen Amt für Boden­denkmalpflege herausgegebenen Richtlinien zur Grabungsdokumentation und beruht somit auf dem Stellensystem. Unter der Stelle 1 wurde das allgemeine Bautagebuch mit Einträgen zur täglichen Arbeitsausführung, Ortsterminen und den nötigen Bauunterlagen geführt. Darüber hinaus erfolgte unter Stelle 1 auch die Definition der übergeordneten Arbeitsbereiche (St. 2, St. 3, St. 5, St. 12, St. 13) sowie der einzelnen archäologisch differenzierbaren Befunde (St. 4, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 14, 15).

Die Zeichnungs- und Fotodokumentation der Planums- und Profilaufnahme erfolgte in der Regel befundorientiert, wobei die Zeichnungsdokumentation der einzelnen Arbeitsbereiche jeweils unter der entsprechenden Stellennummer aufgeführt wurde (s.u.). Sämtliche Zeichnungen wurden im Maßstab 1:20 ausgeführt. Die Befund­schichten wurden mit einzelnen Positionsnummern befundorientiert, d.h. unter der jeweiligen Befund-Stellennummer dokumentiert. Die übrigen, keinem archäologisch differenzierten Befund zugehörigen Schichten (anstehender Terassenschotter und Auenlehm, Planierungshorizonte und rezente Auffüllschichten/Oberboden) wurden hingegen unter dem entsprechenden Arbeitsbereich aufgelistet. Im Zuge der Befundbearbeitung wurden sämtliche Funde ebenfalls befundorientiert und/oder schichtgetrennt geborgen.

Nach Abschluss der Feldarbeiten erfolgte die dokumentarische Aufarbeitung der Grabung mit der Erstellung eines technischen Abschlußberichtes einschließlich Befundliste, eines Übersichtsplanes (M. 1:200) und eines Gesamtplanes (M. 1:100) sowie der entsprechenden Listen (Fotolisten, Einzelfundlisten) und Formblätter (Formblatt 1, Formblatt 2, Kontrollblatt). Die geborgenen Funde wurden gesäubert, beschriftet und magazingerecht verpackt und wurden nach entsprechender Vereinbarung mit dem Auftraggeber dem Rheinischen Landesmuseum übergeben werden.


II. Archäologische Befundlage

II.1. Regionalgeologisch-bodenkundlicher Überblick (Dipl. Geologe H. Jacobs)

Das Grabungsareal liegt nur wenige Meter südlich der Burg Lechenich, die hier im Mittelalter im Zentrum der Rotbachniederung als Wasserburg angelegt wurde. Heute fließt der Rotbach, durch Begradigung und Kanalisierung in ein künstliches Bett gedrängt, ca. 100 m weiter östlich am Rand seiner Aue in nördliche Richtung. Das Untersuchungsgelände stellt eine schwach von Süden nach Norden einfallende Verebnungsfläche dar, die durchschnittliche Höhenlage beträgt ca. 100 m ü. NN.

Das Untersuchungsgebiet liegt im Süden der Niederrheinischen Bucht, einem in mehrere Großschollen zerteilten großräumigen Senkungsgebiet, das nach Süden keilförmig in das Rheinische Schiefergebirge eingesunken ist. Die tektonische Entwicklung dieses Gebietes führte während des Känozoikums zur Entstehung einer NNW-SSE-streichenden Bruchtektonik, die das Gebiet in einzelne Schollen zerlegte, die horstartig angehoben oder grabenartig eingebrochen sind. So bildet der Höhenrücken der Ville, der sich nur wenige Kilometer östlich von Erftstadt-Lechenich erhebt, eine markante Grenze zwischen der Rheinebene des Köln-Bonner Raumes und der sich westlich anschließenden Erftscholle mit den linksrheinischen Bördengebieten.

Am Westrand des Villerückens fließt die Erft entlang einer tektonischen Trennfuge in nordwestliche Richtung. Die im Pleistozän innerhalb der Niederrheinischen Bucht abgelagerten Haupt- und Mittelterrassenschotter des Rhein-Maas-Flusssystems wurden im Bereich der Ville durch tektonische Vorgänge angehoben, während sie auf der Erftscholle gleichzeitig tief abgesenkt und nach Osten verkippt wurden. Im Gegensatz zu dem gekrümmten Verlauf am Ostrand der Ville, der durch die Seitenerosion des eiszeitlichen Rheines entstanden ist, bildet der Westrand eine geradlinige Abbruchfläche. Hier fließt die Erft entlang einer tektonischen Trennfuge in nordwestliche Richtung. Die jüngsten Schotter der Niederterrasse bilden schließlich die weiten Flussniederungen, in denen Erft oder Rotbach fließen. In der letzten Eiszeit wurden die Terrassenschotter weiträumig mit Löss überdeckt, der z.T. mehrere Meter mächtig sein kann. In seiner ursprünglichen Form ist der Löss schichtungslos, tritt Schichtung auf, so ist sie meist durch sekundäre Umlagerung entstanden. Jüngste Bildungen sind lehmige Aufschüttungen der breiten Talböden, zu denen neben dem Erfttal auch das Rotbachtal gehört.

Die Aue des Rotbachs wird hier aufgebaut durch Sande und Kiese (ab ca. 150 cm unter der Oberfläche anstehend) und auflagerndem Auelehm. Diese Lehme sind von rotbrauner Farbe, außerordentlich zäh und undurchlässig, dazu oberflächlich meist humos.

Laut der Bodenkarte von NRW im Maßstab 1 : 50.000 treten am westlichen Rand der Talaue des Rotbaches Parabraunerden bzw. Braunerden auf, die sich aus Hochflutlehmen entwickelt haben. Die sandigen Lehmböden sind z.T. pseudovergleyt bzw. vergleyt und überlagern hier Sande und Kiese der Niederterrasse. Im Schwankungsbereich des vom Rotbach unmittelbar beeinflussten Grundwasserspiegels liegen dagegen braune Auenböden bzw. vergleyte braune Auenböden vor, die aus Auenlehm bestehen.

Hinsichtlich des feinstratigraphischen Geländeaufbaues lassen sich anhand der Beobachtungen während der Grabung folgende Aussagen treffen:


St. 3-26/W-Profil CD:

Über einem Fein-Grobkies in sandig-lehmiger Matrix (siehe St. 3, Pos. 28), der hier an der Basis des Schnittes ansteht (Go), lagert zunächst ein rotbrauner bis brauner, schwach sandiger Lehm (Ls3) mit geringem Schotteranteil (siehe St. 3, Position 29). Das Material ist schwach humos, sehr homogen, und mit häufigen Regenwurm- und Wurzelröhren durchsetzt. Hierbei handelt es sich um einen verbraunten Auenlehm-Horizont (Bv), der von einer ca. 20-30 cm mächtigen Auftragsschicht (St. 3-31) überlagert wird. Dieser rotbraune, schwach tonige und sandige Lehm mit Schottern enthält neben Holzkohlefragmenten vereinzelt auch Brandlehmreste und Schieferstücke (St. 3-43) und ist innerhalb des Profils unterschiedlich dicht gelagert. Nach Norden keilt diese Schicht aus und wird dort von einem grau-rotbraunen, sandigen Lehm abgelöst, der mit Ziegelbruch, Holzkohle und Schieferresten durchsetzt ist (St.3-29).

Am westlichen Rand des Sondageschnittes ist an der Basis der Auftragsschicht ein ca. 10 cm mächtiger Horizont eingeschaltet, der zu beiden Seiten des Schnittes auskeilt. Der dunkelbraune bis schwarze tonige Lehm mit vereinzelten Fein-Grobkiesen enthält massenhaft Holzkohlestücke. Hierbei handelt es sich zweifellos um die Reste eines Brandhorizontes (St. 3-30). Überlagert wird dieser Brandhorizont von einer Schicht, die aus einem unterschiedlich stark verdichteten, rotbraunen, schwach sandigen Lehm mit Feinkies- bis Grobkieseinlagerungen besteht. Diese Schicht enthält vereinzelt Ziegel, Holzkohlepartikel, Schiefer- und Keramikreste. (St. 3-33) und wird anhand der bodenkundlichen Fakten als Planierschicht gedeutet.

An zwei Stellen im Süden des Profils sind in diese Planierschicht Pfostenlöcher eingetieft, die mit humushaltigem Material des darüber lagernden Oberbodens gefüllt sind. Dieser Oberboden (St. 3-37) besteht aus einer neuzeitlichen Schuttschicht aus Lehm mit Grobkies und enthält neben Bauschutt auch Plastikmüll.

Der Untergrund wird gebildet von einem fein- bis grobkiesigen Terrassenschotter in sandiger Matrix, der von einem sehr homogenen, rotbraunen, schwach sandigem Auenlehm mit vereinzelten Feinkiesen überlagert wird. Den darüber liegenden Oberboden bildet ein neuzeitlich-rezenter Auftragschicht aus humosem mit Grobkies, Bauschutt und Plastikmüll durchsetzter Lehm.


St. 2-15/W-Profil CD

Über dem an der Basis des Schnittes anstehenden Schotter aus Feinkies- bis Grobkies in sandiger Matrix (Go) (St. 2-16) lagert auch in diesem Profil zunächst ein Auenlehm (St. 2-17). Dieser rotbraune, schwach sandige Lehm (Bv) enthält vereinzelt Feinkiese und ist insgesamt sehr homogen aufgebaut. Im Zentrum ist unmittelbar nördlich des durch einen Probeschurf gestörten Bereiches, ein grabenartiger Befund eingetieft (St. 4-10). Hierbei handelt es sich einen Spitzgraben, der mit einem grau-rotbraunen sandigen Lehm verfüllt ist. Neben Holzkohlepartikeln, Schiefer- und Ziegelbruch fallen kleine Brandlehmstücke und ein Mörtelfleck auf. Auch wurde hier ein vereinzeltes Keramikstück und ein Knochenfragment gefunden (St. 4-11, 12).

Anders als in dem ungestörten Auenlehm, der nur durch schwache Oxidationsmerkmale gekennzeichnet ist, fallen in diesem Graben deutliche Hydromorphiemerkmale auf. Offenbar sind die zahlreichen Eisen- und Manganflecken auf - zumindest zeitweilig - auftretende Staunässe zurückzuführen, die durch die Bodenverdichtung nach Verfüllung des Grabens entstanden ist.

Überlagert werden Füllschicht und Auenlehm von einem neuzeitlichen Auftragshorizont aus Bauschutt, Müll, ortsfremden Gesteinen und Fein-Grobkiesen, die unregelmäßig verteilt in einer sandig-lehmigen Matrix vorkommen. Die Punktfundamente, die an mehreren Stellen in diesem Horizont erkennbar waren und sich bis in den anstehenden Auenlehm erstreckten, stehen möglicherweise mit der ehemaligen Gärtnerei in Verbindung.


II.2. Technische Stellen

Insgesamt wurden im Zuge der Maßnahme sechs technische Stellen/Arbeitsbereiche definiert:

St. 1 Grabungstagebuch
St. 2 Kellerbereich des hinteren Wohnhauses/“Gartenhaus“ (s. Übersichtsplan).
  Ausmaße: W/E: ca. 13,60 m; N/S: ca. 14 m.
Dokumentation: E-Profil AB (M. 1:20): DIN A3, Blatt-Nr. 1, 2; Fotos.
W-Profil CD (M. 1:20): DIN A3, Blatt-Nr. 3, 4; Fotos.
Befunde: St. 4 (grabenartiger Befund/Spitzgraben).
St. 3 Kellerbereich des vorderen Wohnhauses/“Straßenhaus“ (s. Übersichtsplan).
Ausmaße: W/E: ca. 11,40 m; N/S: ca. 14 m.
Dokumentation: Teilplanum I/westl. Kellerhälfte (M. 1:20): DIN A3, Blatt-Nr. 9,10, 11; Fotos.
E-Profil AB: M.=1:20, DIN A3, Blatt-Nr. 5, 6; Fotos.
W-Profil CD: M.=1:20, DIN A3, Blatt-Nr. 7,8; Fotos.
N-Teilprofil DA: M.=1:20, DIN A3, Blatt-Nr. 8; Fotos.
N-Zwischenprofil EF: M.=1:20, DIN A3, Blatt-Nr. 12; Fotos.
S-Teilprofil GH: M.=1:20, DIN A3, Blatt-Nr. 13; Fotos.
W-Profil HI: M.=1:20, DIN A3, Blatt-Nr. 14, 15; Fotos.
N-Teilprofil ID’D’’A: M.=1:20, DIN A3, Blatt-Nr. 16; Fotos.
Befunde: St. 9, 10, 11 sowie mittelalterliche Planierschichten 3-30/31/32/33/82 (s. Profile) bzw. 3-63/64/65/66 (s. Teilplanum I.
St. 5 Arbeitsbereich im nordöstlichen Flächenbereich (s. Übersichtsplan).
Ausmaße: W/E: ca. 107 m; N/S: ca. 11 m.
Dokumentation: Planum I: M.=1:20, DIN A3, Blatt-Nr. 18 bis 21; tachymetr. Vermessung; Fotos.
Befunde: St. 6, 7 (Ziegelmauern), St. 8 (Versturzbereich/mgl. ehemaliger Anbau) sowie Schichtgrenze zwischen anstehendem Auenlehm und Auffüllschichten (nur vermessen).
St. 12 Arbeitsbereich im nordwestlichen Flächenbereich (s. Übersichtsplan).
Ausmaße: W/E: ca. 21 m; N/S: ca. 14 m.
Dokumentation: Planum I: M.=1:20, nicht erstellt, da ohne Befunde.
St. 13 Arbeitsbereich im nördlichen Flächenbereich zw. St. 5 und St. 12 (s. Übersichtsplan).
Ausmaße: W/E: ca. 45 m; N/S: ca. 12 m.
Dokumentation: befundorientiertes Teilplanum I: M.=1:20, DIN A3, Blatt-Nr. 21; Fotos.
Befunde: St. 13 (Ziegelsteinmauer mit Pflasterung → ehemalige Befestigung einer Durchfahrt.
neuzeitliche Zisterne (tachymetrisch aufgemessen).
eingestürzte Gewölbedecke (Lage mittels Dreipunktmessung vermessen.


II.3. Archäologische Befunde

Insgesamt wurden im Zuge der Maßnahme neun Einzelbefunde als archäologische Stellen definiert. Hinzu kommen die in Arbeitsbereich St. 3 sowohl im Profil als auch im Teilplanum I erfassten mehrschichtigen Planierhorizonte, die jedoch in der Bearbeitung keine eigene Stellennummer erhielten. Sie sind zwar als anthropogen eingebrachte Auffüllungen anzusehen und müssen daher auch aufgrund des reichhaltigen Fundmateriales als stadtgeschichtlich wichtige archäologische Relikte beurteilt werden, stellen jedoch in definitorischer Hinsicht keinen eigenständigen geschlossenen Befund dar und/oder lassen keine weiteren Rückschlüsse auf definierbare archäologische Befundstrukturen (wie z.B. Hausgrundriß) erkennen. Dennoch wurden diese Planierhorizonte natürlich sowohl im Befundkatalog als auch im Abschlußbericht entsprechend berücksichtigt.


II.3.1. Befunde im Arbeitsbereich St. 2

Als einzige Befundstruktur zeichnete sich im Sondageschnitt des Arbeitsbereiches St. 2 ein Spitzgraben (St. 4) ab, der bis in den anstehenden Terrassenschotter eingetieft war und von dem neuzeitlichen Oberboden überdeckt wurde. Obwohl der Graben im W-Profil CD zwar durch einen Probeschurf teilweise gestört war, war er in beiden Profilen deutlich erkennbar. Die beidseitig schräg einfallende Grabenböschung spricht in Verbindung mit der verjüngten Basis für eine anthropogene Entstehung des Grabens. Das Verfüllungssediment bestand aus einem grau-rotbraunen, sandigem Lehm, der neben Holzkohlepartikeln, Ziegel- und Schieferbruch und vereinzelten Mörtelresten auch Brandlehmflecken sowie ein Keramikfragment (# 4-11) und ein Knochenbruchstück (# 4-12) aufwies. Der weitere Verlauf des Grabens wurde in einem schmalen Kanalgraben für die Telekomleitung erfaßt und tachymetrisch eingemessen. Somit ergibt sich für den Verlauf des Grabens eine insgesamt leicht westsüdwestlich-ostnordöstliche Orientierung. Bei dem aus dem Verfüllungssediment geborgenen Keramikfragment handelt es sich um ein Wandbruchstück aus grauem unglasiertem Steinzeug, welches als Bruchstück eines Kruges in das 14. bis 15. Jahrhundert datiert werden kann. Das Gefäßbruchstück weist einen deutlichen Wandungsumbruch im Bauch-/Halsbereich auf, der Gefäßhals ist mit engen kantigen Drehriefen verziert. Da es sich jedoch um das einzige datierende Fundstück handelt, ist eine entsprechende zeitliche Einordnung des Grabens in das Spätmittelalter (Dat.-Code: 1308) jedoch nur stark vorbehaltlich möglich.


II.3.2. Befunde im Arbeitsbereich St. 3

Im Arbeitsbereich St. 3 zeichnete sich in beiden Profilen des zunächst angelegten Sondageschnittes oberhalb des anstehenden Auenlehmes (Schicht 3-29) eine Abfolge von mehreren übereinander liegenden Schichthorizonten (Schichten 3-30/31a-b/32/33) ab, die in ihrer Gesamtheit auffällig viel Keramikfragmente aufwiesen und dementsprechend als flächig eingebrachte spätmittelalterliche Auftrags- oder Planierhorizonte interpretiert werden können. Inwiefern die einzeln differenzierbaren Horizonte eine tatsächliche, auch chronologisch meßbare Mehrphasigkeit widerspiegeln, läßt sich jedoch anhand des insgesamt sehr einheitlich ausgeprägten keramischen Fundmateriales nicht erschließen. Die relativ geringe Schichtmächtigkeit der einzelnen Horizonte (insbesondere der Schichten 3-30/31-a-b/32) läßt in Verbindung mit der relativ gleichartigen, in der Regel stark schotterdurchsetzten Substratsubstanz (hier insbesondere die Schichten 3-30, 3-31a-b) allerdings doch auf eine eher zeitnahe, chronologisch nicht differenzierbare Ablagerung schließen.

Aufgrund der relativ einheitlichen Ausprägung der Schichten war eine eindeutige Abtrennung im Profil und auch im Planum oft nicht oder aber nur bedingt möglich. So scheint es wahrscheinlich, dass es sich bei den Schichten 3-31-a und 3-31-b um den gleichen Schichthorizont handelt, der sich wiederum flächig über einen markanten, sehr geringmächtig ausgebildeten Schichthorizont (Schicht 3-30) verbreitet, der zwar ebenfalls stark schotterführend war, aufgrund der zahlreichen Holzkohle-einlagerungen jedoch deutlich dunkleres, schwärzlich gefärbtes Sediment aufwies und als „Brandhorizont“ bezeichnet werden kann. Beide Horizonte (Schichten 3-30 und 3-31) überlagerten wiederum einen offensichtlich ebenfalls flächig verbreiteten Schichthorizont (Schicht 3-32 bzw. 3-104 und 3-131, verm. auch 3-63 und 3-100), der deutlich weniger Schottergerölle, dafür aber einen höheren Schluffanteil aufwies. Im W-Profil CD war dieser untere Planierhorizont nur im nördlichen Profilabschnitt eindeutig als eigenständige Schicht differenzierbar. Im südlichen Profilabschnitt war eine entsprechende Schichtdifferenzierung nicht möglich. Im Planum I zeigte sich jedoch ebenso wie im N-Zwischenprofil EF, dass dieser Horizont in seiner flächigen Ausdehnung in etwa mit den überlagernden Schichten 3-30 und 3-31-b korrespondierte. Hierzu ist jedoch anzumerken, dass der Schichthorizont 3-32/131 nur im nördlichen Flächenabschnitt eindeutig erkennbar war. Im südlichen Flächenabschnitt hingegen war eine eindeutige Identifizierung dieser Schicht nicht möglich, wobei die hier dokumentierte Schicht 3-64 (verm. auch die Schicht 3-63) der Schicht 3-131 entsprechen könnte. Hierzu ist des weiteren anzumerken, dass im südlichen Flächenabschnitt anhand der Profile CD, GH und HI eine weitere, sowohl von dem schotterführenden Planierhorizont (Schicht 3-31) als auch von dem Brandhorizont (Schicht 3-30) überlagerte Schicht (3-82) differenzierbar war, die entsprechend dem Profilaufschluss auch im Planum I angeschnitten gewesen sein muß. Da eine entsprechende Abtrennung dieser Schicht im Planum jedoch sedimentologisch nicht möglich war, wurde im Gesamtplan anhand des in den Profilen CD/HI erkennbaren Schichteinfalles eine idealisierte Schichtgrenze eingetragen. Die chronologisch ältere Datierung dieses Schichthorizontes ergibt sich aus der stratigraphischen Überlagerung durch die Schotterplanierung (s. Profil GH) und den Brandhorizont (s. Profil CD). In Planum I wiesen die Schichten 3-65 (entspricht der Schicht 3-30), 3-66 (entspricht der Schicht 3-31-b) und 3-131 (entspricht der Schicht 3-32) eine N/S-Gesamterstreckung von ca. 6,70 m auf. Die im Planum noch erfassbare W/E-Erstreckung dieser Schichten betrug mind. 1,60 m bis max. 2,00 m. Hierzu ist anzumerken, dass sowohl der Schichthorizont 3-32 als auch der Brandhorizont 3-30 im E-Profil AB nicht mehr erkennbar waren, also auch in West-Ost-Orientierung eine offensichtlich eingeschränkte Erstreckung aufwiesen. Im E-Profil AB zeichneten sich oberhalb des anstehenden Auenlehmes lediglich die Schotterplanierung 3-31 sowie der darüber liegende Schicht-horizont 3-33 ab, der ebenso wie die Schicht 3-32 ein homogenes, eher schluffiges Substrat mit nur geringem Schotteranteil aufwies und offensichtlich ebenfalls im gesamten Arbeitsbereich verbreitet war (s. Profile AB/CD/EF/GH/HI). Die Tatsache, dass die wenigen, aus dieser Schicht geborgenen Keramikfunde dem Spektrum der in den unteren Schichten eingelagerten Funde weitgehend entsprechen, scheint darauf hinzudeuten, dass auch diese Schicht der spätmittelalterlichen Planierungsphase zuzuweisen ist und den Abschluß dieses Planierungszyklusses darstellt. Ob sich aus der offensichtlich begrenzten Verbreitung der Planierschichten mögliche Rückschlüsse auf eine archäologische Befundstruktur (mgl. Gebäudegrundriß eines an der Steinstraße gelegenen spätmittelalterlichen Gebäudes) ableiten lassen, scheint eher unwahrscheinlich, zumal auch beim sukkzessiven Abtrag der Planierschichten keinerlei Hinweise auf entsprechende Baustrukturen (Pfostensetzungen oder Schwellbalkenkonstruktionen) erkennbar waren. Daher wurde in Absprache mit dem RAB auf eine weitergehende flächige Untersuchung der östlichen Kellerhälfte verzichtet.

Die im Planum I angeschnittenen Befunde (St. 9, St. 10, St. 11) werden aufgrund ihres gleichartigen Verfüllungssedimentes als zeitgleich eingestuft. Das aus dem Befund St. 10 geborgene keramische Fundmaterial (# 10-16/18) ist zwar ebenfalls in das Spätmittelalter einzuordnen, dennoch werden diese Befunde als jüngere Störungen unbekannter, vermutlich neuzeitlicher Datierung (Dat.-Code: verm. 1416) interpretiert. Diese zeitliche Einordnung wird durch die Beobachtung gestützt, dass der Befund St. 11 sowohl im N-Zwischenprofil EF als auch im W-Baugrubenprofil HI in die obere spätmittelalterliche Planierschicht 3-33 eingetieft ist.

Bei dem aus den mittelalterlichen Planierschichten geborgenen Fundmaterial handelt es sich in erster Linie um Keramik sowie um vereinzelte Metall- und Knochenfunde.

Das keramische Fundgut läßt sich in die Materialgruppen Irdenware, Faststeinzeug und Steinzeug untergliedern und spiegelt in seiner Gesamtheit ein typologisch recht einheitliches Fundspektrum wider, welches sich chronologisch relativ eng in den Zeitraum vom frühen 14. bis ins 15. Jahrhundert begrenzen läßt. Eher selten sind dabei hochmittelalterlich anmutende Irdenware. Darunter sind neben gelblichen Irdenwaren Pingsdorfer Art (# 3-49, 3-52, 3-72, 3-84, 3-85, 3-115) und weißlich-rötlicher Ware (# 3-75) vereinzelt auch Elmpter Ware (# 3-85) und Kugeltopfware (# 3-49, 3-129) belegt. Bemerkenswert sind zwei Fragmente der gelblichen Irdenware (# 3-52), die noch Reste rotbrauner Bemalung nach Pingsdorfer Art aufweisen sowie ein Stück mit gelblich-grünfleckiger Bleiglasur auf der Außenwandung (# 3-42). Faststeinzeug kommt nur ganz vereinzelt vor (# 3-49, 3-84?). Eindeutig bestimmend ist das frühe Steinzeug, welches entweder matt-unglasiert ist, einen Lehmanguß und/oder einen Ascheanflug aufweist. Vereinzelt finden sich auch geflammte Stücke.

Als formenkundlich charakteristische Gefäße sind bauchige, in drei Zonen gegliederte Krüge mit eng gerieftem Hals, spitz geformter Randlippe, glatter Schulter und bauchigem, mit breiteren Drehriefen versehenem Unterteil und flachem Wellenfuß anzusehen. Die typische dreigliedrige Gefäßaufteilung wird dabei durch einen umlaufenden Grad betont, der den Gefäßbauch von der Gefäßschulter abtrennt. Diese im Fundmaterial häufig belegte Gefäßform ermöglicht eine Datierung des gesamten Fundkomplexes in die Zeit vom frühen 14. bis ins beginnende 15. Jahrhundert (Sanke 2002, Pingsdorf Per. 10, 1. Hälfte 14. Jh.; Beckmann 1975, Siegburg Per. 4, allgemein 14. Jh.). Die Tatsache, dass Gefäße mit Kragenrandlippen völlig fehlen, deutet dabei eher auf eine spätere Datierung hin.

Bei den aus den Planierschichten geborgenen Metallfragmenten (# 3-130, 3-135) könnte es sich möglicherweise um gebrochene Messerklingen handeln.

Die aus den Planierschichten geborgenen Knochen (# 3-45, 3-50, 3-73, 3-108, 3-112) stammen sämtlich von Tieren, wurden aber im Zuge der Aufarbeitung nicht weiter bestimmt.


II.3.3. Befunde im Arbeitsbereich St. 5

Im Arbeitsbereich St. 5 zeichneten sich im Planum I zwei rechtwinklig im Verbund miteinander gesetzte Ziegelmauern (St. 6, St. 7) sowie ein östlich an die Mauer St. 6 angesetzter, mit Bauschutt verfüllter Versturzbereich (St. 8) ab. Aufgrund der zunächst vorausgesetzten Kenntnis, dass in diesem Flächen-bereich nach alten Karten und Ansichten eigentlich der der Vorburg vorgelagerte südliche Umfassungsgraben verlaufen sollte, ist die Feststellung der jetzt aufgedeckten Mauern umso erstaunlicher. Der Verlauf und die Orientierung der beiden Ziegelmauern lassen darauf schließen, dass es sich hierbei um ehemalige, der jetzigen Umfassungsmauer vorgelagerte Befestigungsmauern handelt, die ebenso wie die bestehende Umfassungsmauer in eine der neuzeitlichen Umbauphasen des 17. bis 18. Jahrhunderts datiert werden können. Die Tatsache, dass die beiden Ziegelmauern dabei dasselbe Baumaterial (sowohl in Farbe und Beschaffenheit der Feldbrandziegel als auch in der Zusammensetzung des Kalkmörtels) wie die SW-Ecke der bestehenden Umfassungsmauer aufwiesen, spricht dafür, dass die jetzt aufgedeckten Mauern St. 6 und 7 der gleichen Bauphase zuzuordnen sind und ehemals an die jetzigen Umfassungsmauern angebunden waren.

Die Mauer St. 6 gliederte sich in 2 Teilabschnitte. Der nördliche Mauerabschnitt war deutlich breiter als das südliche Mauerende, das im Ansatzbereich absatzartig um etwa 0,30 m in westlicher Orientierung zurückspringend war. Der Mauerverlauf änderte sich an dieser Stelle von einer N/S-Orientierung zu einer leicht schräg ausgerichteten NNW/SSE-Orientierung. Im Planum war im Versprungbereich eine deutliche Fuge erkennbar. In der westlichen/inneren Seitenansicht der Mauer zeigte sich jedoch, dass die unteren Lagen eindeutig im durchlaufenden Verbund gemauert waren, es sich hierbei also um eine einheitliche Bauphase handeln muß. Hierzu passt, dass der Mörtel (beigegrauer bis weißlichgrauer, sandiger Kalkmörtel mit Quarzkieseln, Ziegelsplitt und Kalkspatzen) in beiden Mauerabschnitten identisch war und zudem dem bei Mauer St. 7 verwendeten Mörtel entsprach.

Im Süden war die Ziegelmauer St. 6 im Verbund mit der west-ost-orientierten Ziegelmauer St. 7 gesetzt, wobei der Ansatzwinkel zwischen beiden Mauern vom rechten Winkel leicht in westlicher Richtung abweichend war. Bedingt durch die Tatsache, dass die gedachte Verlängerung des nördlichen Mauerabschnittes im Ansatz beider Mauern einen rechten Winkel bilden würde, entsteht somit der Eindruck, als ob der südliche Mauerabschnitt der St. 6 eine spätere Einbauphase darstellt. Eine diesbezüglich weitergehende Untersuchung war jedoch nicht möglich, da die vorgesehene Bautiefe bereits erreicht war. Die west-ost-orientierte Mauer St. 7 wies in ihrem gesamten Verlauf eine schwache südlich orientierte Neigung/Verkippung auf, die wohl am ehesten auf die Lage der Mauer im Bereich des ehemaligen südlichen Umgrenzungsgrabens und damit auf den entsprechend instabilen Baugrund zurückzuführen ist. Seitlich der Mauer war tw. eine schmale Baugrube erkennbar.

Der unvollständig erfaßte Befundbereich St. 8 setzte unmittelbar östlich an das nördliche Ende der Mauer St. 6 an. Im Süden war der Befundbereich als deutliche, in den anstehenden Auenlehm eingetiefte Schichtgrenze erkennbar. Ab dem Versprung der Mauer St. 6 verlief die Befundgrenze in südlicher Richtung zunächst in geradliniger Fluchtverlängerung der östlichen Außenkante der Mauer St. 6, um sich dann rechtwinklig zu Mauer St. 6 in östlicher Orientierung fortzusetzen. Insgesamt scheint der Befundbereich St. 8 eckig konzipiert zu sein. Die Verfüllung bestand aus einem stark aufgelockerten, mit Bauschutt durchsetzten Lehm und entsprach dem Substrat der Baugrube zu der Mauer St. 7, was wiederum auf eine entsprechende zeitliche Korrelation hindeutet. Die Funktion dieses als Anbau gedeuteten Befundbereiches (mgl. als Turm) läßt sich nur vermuten.


II.3.4. Befunde im Arbeitsbereich St. 13

Der Arbeitsbereich St. 13 war kaum von Bodeneingriffen betroffen. Die hier dokumentierten Befunde sind somit nur als zufällig erfasste Ausschnitte zu werten.

Die der nördlichen Grundstücksgrenze vorgelagerte Zisterne (nicht als Befund definiert) wurde, da es sich um einen neuzeitlich-rezenten Befund (mit Stahlträgern) handelt, in Absprache mit dem R.A.B. lediglich in ihrer ungefähren Erstreckung tachymetrisch aufgenommen. Ebenso wurde eine daran anschließende Gewölbeabdeckung (St. 15), die durch den Druck der Baufahrzeuge teilweise eingestürzt war nur in ihrer Lage eingemessen. Bei der Gewölbeabdeckung handelt es sich vermutlich um eine weitere Zisterne, die an die o.g. neuzeitlich-rezente Zisterne anschließt.

Der ebenfalls nur in Teilbereichen angeschnittene und aufgedeckte Befund St. 14 ist vermutlich als ehemalige (neuzeitliche) Befestigung der nördlich führenden Durchfahrt zu interpretieren. Dabei handelte es sich um eine W/E-orientierte Ziegelsteinlage/-mauer (?) ohne seitliche Anbindungen, an die sich nördlich eine Ziegelsteinpflasterung aus hochkant eingelassenen Feldbrandziegeln anschloss.


III. Zusammenfassung

Im Zuge eines Neubauvorhabens wurden in Erftstadt-Lechenich auf einem Grundstück zwischen der Steinstraße und der Landesburg Lechenich baubegleitende archäologische Untersuchungen durchgeführt.

Als älteste Siedlungsspuren konnten dabei im straßennahen Grundstücksbereich mehrschichtige Planierungshorizonte festgestellt werden, die anhand der zahlreichen Keramikfunde in einen zeitlich eng begrenzten spätmittelalterlichen Befundkontext des 14. bis 15. Jahrhunderts eingebunden werden können. Eine weitergehende Interpretation dieser flächigen Planierungen ist nicht möglich. Hinweise auf mögliche Bebauungsstrukturen in Form von Pfostensetzungen oder Schwellbalkenkonstruktionen waren nicht feststellbar.

Im nördlichen Flächenbereich wurden zwei rechtwinklig zueinander angeordnete Ziegelmauern sowie ein östlich angesetzter Versturzbereich freigelegt, die sicherlich den urkundlich belegten neuzeitlichen Umbauphasen (17. - 18. Jh.) im Bereich der Vorburg zugeordnet werden können und offensichtlich die Reste einer der heutigen Umfassungsmauer vorgelagerten Befestigung darstellen. Die funktionale Bedeutung des als Anbau interpretierten Versturzbereiches muß dahingestellt bleiben. Der ursprünglich hier vermutete südlich verlaufende Umfassungsgraben konnte aufgrund der geringen Bauaushubtiefe nicht eindeutig nachgeweisen werden. Möglicherweise deutet jedoch indirekt die verkippte Neigung der Ziegelmauer St. 7 auf einen entsprechenden instabilen Bauuntergrund hin.

Bei den weiteren im Zuge der Maßnahme dokumentierten Befunden handelt es sich zum einen um einen nicht datierbaren, west-östlich verlaufenden Spitzgraben, um eine ehemalige Befestigung der nördlich führenden Durchfahrt sowie um zwei vermutlich als Zisternen genutzte Baustrukturen, die jedoch ebenso wie die Durchfahrtbefestigung jüngeren neuzeitlichen Datums sein dürften.





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